Zukünf­tig sol­len deut­sche Unter­neh­men laut aktu­el­lem Ent­wurf vom 15.02.2021 des neu­en Sorg­falts­pflich­ten­ge­set­zes, auch Lie­fer­ket­ten­ge­setz genannt, dazu ver­pflich­tet wer­den, die Sorg­falts­pflich­ten hin­sicht­lich sozia­ler und öko­lo­gi­scher Min­dest­stan­dards bzw. die Ein­hal­tung von Men­schen­rech­ten ent­lang der Lie­fer­ket­te sicherzustellen.

Rückblick: Erster Gesetzesentwurf bereits kontrovers diskutiert

Die Dis­kus­si­on um einen gesetz­li­chen Rah­men wur­de in der Ver­gan­gen­heit bereits kon­tro­vers geführt. Wäh­rend die Befür­wor­ter des Geset­zes die drin­gen­de Not­wen­dig­keit sehen, glei­che Wett­be­werbs­be­din­gun­gen für Unter­neh­men zu schaf­fen, die sicher­stel­len, dass es kei­ne Tritt­brett­fah­rer gibt, war­nen Wirt­schafts­ver­bän­de, dass ein Gesetz zu Wett­be­werbs­ver­zer­run­gen füh­ren und nach­tei­li­ge Aus­wir­kun­gen für deut­sche Unter­neh­men, ins­be­son­de­re für klei­ne und mitt­le­re Unter­neh­men (KMU), auf dem inter­na­tio­na­len Markt haben könn­te. Ver­brau­cher­schutz­or­ga­ni­sa­tio­nen begrüß­ten hin­ge­gen die erhöh­te Trans­pa­renz für Ver­brau­cher, die das neue Gesetz brin­gen wird.

Lieferkettengesetz: Welche Unternehmen sind betroffen?

Das neue Lie­fer­ket­ten­ge­setz soll am 01. Janu­ar 2023 in Kraft tre­ten und auch zunächst nur für Unter­neh­men mit mehr als 3.000 Beschäf­tig­ten gel­ten. Im Anschluss gilt es ab 2024 auch für sol­che, die min­des­tens 1.000 Mit­ar­bei­ter beschäftigen.

Unternehmerische Pflichten des Lieferkettengesetzes:

Ziel ist es, einen regu­la­to­ri­schen Rah­men zu schaf­fen, der glei­che Wett­be­werbs­be­din­gun­gen schafft, aber gleich­zei­tig frei­wil­li­ge Ver­pflich­tun­gen und Akti­vi­tä­ten aner­kennt, die dar­über hin­aus­ge­hen. Idea­ler­wei­se wird das Gesetz die Zusam­men­ar­beit des pri­va­ten Sek­tors wei­ter för­dern. In Anbe­tracht der Kom­ple­xi­tät und Ver­net­zung glo­ba­ler Lie­fer­ket­ten soll­te das Gesetz aner­ken­nen, dass gemein­sa­me Anstren­gun­gen zu einer grö­ße­ren Wir­kung füh­ren kön­nen als uni­la­te­ra­le Bestre­bun­gen. Unter­neh­men haben sich zukünf­tig an fol­gen­de Maß­nah­men zu halten:

1. Durchführung einer fortlaufenden Risikoanalyse

Zunächst müs­sen Unter­neh­men ihre Risi­ken für poten­zi­el­le Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen im eige­nen Unter­neh­men und bei Lie­fe­ran­ten inner­halb der gesam­ten Lie­fer­ket­te ermit­teln und bewer­ten. Das ist inso­fern wich­tig, um anschlie­ßend nöti­ge Maß­nah­men in bestehen­de Pro­zes­se zu inte­grie­ren. Zu den mög­li­chen Risi­ken zählt das Gesetz Kin­der­ar­beit, Zwangs­ar­beit, Dis­kri­mi­nie­rung, Umwelt­schä­di­gun­gen, nie­de­re Arbeits- und Anstel­lungs­be­din­gun­gen und Ver­stö­ße gegen die Ver­ei­ni­gungs­frei­heit. Bei der Risi­ko­ana­ly­se gilt also eine Bedin­gung: Alle Stand­or­te, alle Pro­zes­se inner­halb der Lie­fer­ket­te (vom Roh­stoff­be­zug bis zum End­pro­dukt) und kon­text­be­zo­ge­ne Fak­to­ren müs­sen umfas­send ein­ge­schlos­sen werden.

2. Einführung und Berichtserstattung von Präventions- und Abhilfemaßnahmen

Alle betrof­fe­nen Unter­neh­men müs­sen Prä­ven­ti­ons- und Abhil­fe­maß­nah­men ein­füh­ren und über die­se jähr­lich und öffent­lich berich­ten. Sowohl bei der Risi­ko­ana­ly­se, der Maß­nah­men­ein­füh­rung als auch bei der Bericht­erstat­tung gilt die Bemü­hungs­pflicht. Dabei rich­tet sich die Ange­mes­sen­heit der Bemü­hun­gen nach der Art der Geschäfts­tä­tig­keit, der Ein­wir­kungs­mög­lich­keit der betrof­fe­nen Unter­neh­men, der Wahr­schein­lich­keit eines tat­säch­li­chen Scha­dens­ein­trit­tes und der Schwe­re poten­zi­el­ler Schäden.

Was droht bei Missachtung der neuen Sorgfaltspflicht?

Das Bun­des­amt für Wirt­schaft und Aus­fuhr­kon­trol­le wird Unter­neh­men zukünf­tig über die Ein­hal­tung des Lie­fer­ket­ten­ge­set­zes kon­trol­lie­ren und ihnen Besu­che abstat­ten. Soll­ten Unter­neh­men die neu­en Ver­pflich­tun­gen miss­ach­ten, dro­hen Sank­tio­nen in Form von Zwangs- und Buß­gel­dern. Dabei soll die Höhe der Sank­tio­nen abhän­gig vom Gesamt­um­satz eines Unter­neh­mens sein und bis zu 10 % betra­gen. Unter­neh­men, die bereits ein­mal sank­tio­niert wur­den, kön­nen dar­über hin­aus bis zu drei Jah­ren von öffent­li­chen Auf­trä­gen aus­ge­schlos­sen werden.

Corporate Social Responsibility – schon länger ein Thema

Nach­hal­ti­ges Wirt­schaf­ten ist kein The­ma von mor­gen. Unter­neh­men sehen sich zuneh­mend gezwun­gen in Cor­po­ra­te Social Respon­si­bi­li­ty Maß­nah­men zu inves­tie­ren. Inzwi­schen gibt es einen wach­sen­den Wunsch unter den Arbeit­neh­mern – vor allem unter jun­gen Arbeit­neh­mern – für Unter­neh­men zu arbei­ten, deren Wer­te mit ihren eige­nen über­ein­stim­men. Umfra­gen haben gezeigt, dass sich Mit­ar­bei­ter viel eher bei der Arbeit enga­gie­ren, wenn sie glau­ben, dass ihr Arbeit­ge­ber sich für ein höhe­res Wohl ein­setzt, und dass die Mit­ar­bei­ter erwar­ten, dass Unter­neh­men zu The­men Stel­lung bezie­hen, die sich auf das öffent­li­che Wohl aus­wir­ken, ein­schließ­lich Umwelt, Gleich­be­rech­ti­gung, Ein­wan­de­rung und ver­fas­sungs­mä­ßi­ge Rech­te. Der Auf­bau die­ser Art von sozia­lem Kapi­tal kann also nicht nur aus Kun­den­sicht, son­dern auch aus Mit­ar­bei­ter­per­spek­ti­ve ein bedeu­ten­der Vor­teil für Unter­neh­men sein. Sozia­le Ver­ant­wor­tung von Unter­neh­men kann also eine ech­te Chan­ce sein, das Enga­ge­ment der Mit­ar­bei­ter zu fördern.

Das geplan­te Lie­fer­ket­ten­ge­setz ist ein Vor­stoß, eine ent­spre­chen­de Ver­ant­wor­tung gesetz­lich zu ver­an­kern. Es reagiert auf gesell­schaft­li­chen Druck und zielt dar­auf ab, frei­wil­li­ge Ver­pflich­tun­gen recht­lich ver­bind­lich zu machen. Aus Repu­ta­ti­ons­grün­den sind vie­le Unter­neh­men bereits aktiv gewor­den, um CSR durch ihre Markt­po­si­ti­on zu för­dern, unab­hän­gig von gesetz­li­chen Vorgaben.

Lieferkettengesetz in der Praxis:

Da immer mehr Län­der Geset­ze zur Wirt­schaft und zu Men­schen­rech­ten ent­wer­fen, sind inter­na­tio­na­le Koope­ra­ti­on und Zusam­men­ar­beit von ent­schei­den­der Bedeu­tung. Wäh­rend der neue Beschluss eines deut­schen Lie­fer­ket­ten­ge­set­zes lobens­wert ist, wäre eine ein­heit­li­che euro­päi­sche Rege­lung wohl eine effek­ti­ve­re Lösung. Geset­ze wie das fran­zö­si­sche „Duty of Vigi­lan­ce Law”, der bri­ti­sche „Modern Slavery Act”, die Schwei­zer „Respon­si­ble Busi­ness Initia­ti­ve” und in Vor­be­rei­tung befind­li­che Vor­schrifts­maß­nah­men in einer Rei­he ande­rer Län­der, dar­un­ter die Nie­der­lan­de, Bel­gi­en und Finn­land, füh­ren zu einem Fli­cken­tep­pich von Vor­schrif­ten, der schwer zu durch­schau­en ist.

Ein Groß­teil der deut­schen Unter­neh­men sind die Vor­schrif­ten ihrer Han­dels­part­ner in den oben genann­ten Staa­ten bereits bekannt. Eine Umset­zung bzw. die Umstel­lung der eige­nen Pro­zes­se soll­te daher nicht all­zu über­ra­schen kom­men. Die Umstel­lung führt zum einen natür­lich zu einem höhe­ren Zeit- und Kos­ten­auf­wand. Aller­dings führt das zuneh­men­de öko­lo­gi­sche und sozia­le Bewusst­sein der Ver­brau­cher und das dar­aus resul­tie­ren­de Ver­lan­gen nach ver­ant­wor­tungs­be­wuss­ten her­ge­stell­ten Pro­duk­ten sowie das erhöh­te Repu­ta­ti­ons­ri­si­ko durch sozia­le Medi­en und ein mög­li­cher Wett­be­werbs­nach­teil zu einer nahe­zu Unum­gäng­lich­keit, die eige­ne Lie­fer­ket­te stren­ger zu überprüfen.